Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum
1. März 2020 – 26. Juli 2020
Panzer im Kindergarten
Der Kindergarten in der DDR


Spielzeugpanzer aus einem Kindergarten der DDR
Spielzeugpanzer aus einem Kindergarten der DDR
„Der Kindergarten verwirklicht als staatliche Einrichtung die ihm von der sozialistischen Gesellschaft übertragene und im Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem, in der Verordnung über Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung und in der Kindergartenordnung ausgewiesene Aufgabe, die Kinder fürsorglich zu betreuen, sozialistisch zu erziehen und gut auf die Schule vorzubereiten.“ (Aus dem Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarte1985)
Vieles, was im Lehrplan für den Kindergarten gefordert wurde, war wohl ähnlich in den Plänen der BRD-Kindergärten selbstverständlich.
Auffallend aber war die vormilitärische Ausrichtung, über die ein Zeitzeuge im Hinblick auf seine Vorschulzeit in einem DDR-Kindergarten berichtet:
„Wir freuten uns über Infanteristen mit Pistolen, Kalaschnikows oder Panzerfäusten, hatten kleine Militär-Trabis und Panzerspähwagen sowie eine kleine Abteilung Sanitäter. Alles natürlich von der NVA, der Nationalen Volksarmee, welche den Frieden derart liebte, dass sie sich bis an die Zähne bewaffnete. Nachdem wir mehrere Kriege spielerisch dargestellt oder neu erfunden hatten, wuschen wir uns die Hände, bevor wir frühstückten.“ Seine Angaben zufolge verlief ein Tag im Kindergarten nach fast militärischem Muster mit entsprechenden Kommandos der Kindergärtnerinnen, angereichert mit verschiedenen sportlichen Einlagen, denn „die Erzieherinnen bestanden nachdrücklich auf einer guten körperlichen Ertüchtigung, Spaß bereitete uns das Wettrennen auf Kommando oder das 'Armeerobben', eine Art paramilitärische Ellbogen-Fortbewegungsart im Sandkasten.“ Beliebt seien die Kasernenbesuche gewesen, vor allem am „Tag der Nationalen Volksarmee“, an dem die Kinder „in ein militärisches Kettenfahrzeug hineinklettern und eine komfortable Probefahrt miterleben“ durften.
Es mag sein, dass der beschriebene Kindergarten besonders linientreu geführt wurde, aber er entsprach auch dem vorgegebenen Lehrplan aus dem Jahr 1985. Dort steht unter dem Titel „Vom Schutz des Friedens und des sozialistischen Vaterlandes“: „Den Kindern sind Vorstellungen über die Tätigkeit der Angehörigen der bewaffneten Organe zu vermitteln. Sie sollen erfahren, daß diese das Leben der Menschen und die DDR schützen, weil es immer noch Feinde gibt, die alles zerstören wollen.
Seite aus der Vorschulkinderzeitschrft Bummi,                   Ausgabe Nummer 3,  1976
Seite aus der Vorschulkinderzeitschrft Bummi, Ausgabe Nummer 3,  1976

Die Kinder sollen Menschen begegnen und kennenlernen, die uns schützen. Der Stolz der Kinder auf solche Menschen, auch auf ihre Väter, die den bewaffneten Organen angehören oder bereits gedient haben, ist zu entwickeln.“
Und in den folgenden Ausführungen wurden die Zielvorgaben präzisiert und entsprechende Lehrmittel und Medien vorgeschlagen: „Einer von vielen, Unteroffizier Rößner/Kunstdruck für Vorschulkinder“, „Lichtbildreihe R 1018 'Besuch bei der NVA'“, „Soldatenbriefe“ usw.
Das Kriegsspielzeug wurde nun als „Wehrspielzeug“ nach dem Motto „Selbst nie etwas Böses tun, aber sich wehren dürfen!“ eingesetzt. Nach Meinung der staatlich gelenkten DDR-Pädagogik sollte das Wehrspielzeug also zur Verteidigungsbereitschaft und zur Friedenssicherung erziehen und als Nebeneffekt das Interesse für die Technik wecken.
Mit Liedern und Gedichten aus dem Soldatenleben wollte man außerdem den Kindern schon im Vorschulalter den NVA-Soldaten als Inbegriff eines friedliebenden und somit höchst ehrenvollen Menschen vermitteln. Dazu gehörte natürlich ein entsprechendes Feindbild und die Förderung des Hasses gegen den „imperialistischen Klassenfeind“ im Westen als offizielles Ziel der ideologischen Erziehung.
Seite aus der Vorschulkinderzeitschrift Bummi, Ausgabe Nummer 5, 1976
Seite aus der Vorschulkinderzeitschrift Bummi, Ausgabe Nummer 5, 1976

Die „vormilitärische Ausbildung“ außerhalb des Kindergartens erfolgte auch über die Kinderzeitschrift „Bummi“, in der die Kinder immer wieder neben den typischen gesellschaftlich-politischen Themen auch mit militärischen Bereichen vertraut gemacht und diese erzieherisch genutzt wurden. So heißt es in der Bummiausgabe Nr. 5/1976 unter der Überschrift „Wir lernen von unseren Soldaten“: „Unsere Soldaten müssen pünktlich und ordentlich zum Dienst kommen, damit sie immer kampfbereit sind. Hole deinen Mantel und deine Schuhe! Zeige, daß du dich schnell und ordentlich an- und ausziehen kannst. (...) Unsere Soldaten treiben Sport, damit sie stark und mutig werden. Lege dich auf den Bauch und krieche unter einem Stuhl hindurch, ohne dabei die Stuhlbeine zu berühren“ usw.
Bleibt festzustellen, dass die militärische Aufrüstung im Kindergarten des „Friedensstaates“ DDR ganz im Gegensatz zur Kindergartenerziehung der damaligen „kapitalistisch-aggressiven und kriegslüsternen“ BRD stand. In den dortigen Kindergärten war nämlich alles Militärische verpönt, auch in Erinnerung an die schlimme Zeit des Dritten Reichs.
Seite aus der Vorschulkinderzeitschrfit Bummi, Ausgabe Nummer 5, 1976
Die Sonderausstellung „Panzer im Kindergarten - Der Kindergarten in der DDR“ im Eingangsbereich des Museums ermöglicht anhand von Ganzseitenfotos aus dem Buch „Zur Arbeit mit dem Bildungs- und Erziehungsplan im Kindergarten, Volk und Wissen, Volkseigener Verlag Berlin, 1973“, Spielzeug, der Vorschulkinderzeitschrift „Bummi“ usw. viele Einblicke in einen sozialistischen Kindergarten und ist eine interessante Ergänzung der Jahressonderausstellung „Schule und Erziehung in der DDR“ im Gewölbekeller des Schulmuseums.


(Text:Eduard Stenger, Leiter des Lohrer Schulmuseums)

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger telefonischer Absprache (Tel. 09352/4960 oder 09359/317) außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
Internet: www.lohr.de/schulmuseum; Mail: eduard.stenger@gmx.net



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