Rechtzeitig
zum neuen Schuljahr in Bayern zeigt das Lohrer Schulmuseum in der
ständigen Ausstellung ab dem 11. Sept. 2011 auch Gegenstände, Dokumente
usw. von der ehemaligen Kadettenschule in München aus dem 19.
Jahrhundert. Über einen langen Zeitraum von etwa zwanzig Jahren hat der Museumsleiter alles , was zu diesem Thema auf Auktionen usw. angeboten wurde, versucht zu erwerben. Den Ausschlag für eine mögliche museale Darstellung gab der Erwerb eines Kadettengewehrs mit Bajonett aus der Zeit um 1845 auf einer Auktion in Schleusingen vor sechs Wochen. Das 1786 gegründete und mehrmals reformierte Kadettencorps war ursprünglich ein Versuch, die sog. Ettaler Ritterakademie weiterzuführen und sollte neben der militärischen Erziehung auch zur Heranbildung einer gesellschaftlich-politischen Elite beitragen. Links: „Missetäter“; aus „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890, handcoloriert. Der 1897 gestorbene Oberstleutnant a. D. war von 1852 bis 1859 Schüler (Kadett) des Königlich Bayerischen Kadetten-Corps. Die meisten Skizzen beziehen sich auf diese Zeit. Rechts: Bildnis eines Kadetten um 1821 (Kadett Carl Frhr. von Ripp) Schwerpunktmäßig erinnert die Ausstellung im Schulmuseum an die Zeit um 1810 bis 1890. Wie anspruchsvoll das Angebot der Schule damals war, zeigt ein Blick in das Jahreszeugnis des 1840 in Bamberg geborenen Kadetten Carl Dotzauer. Benotet wurden folgende Fächer (ab 1854) mit den Noten von 15 („vorzüglich“) bis 0 („ganz ungenügend“): Religion, Deutsche Sprache, Lateinische Sprache, Französische Sprache, Geometrie und Algebra, Geographie, Geschichte, Schönschreiben, Handzeichnen, Musik, Waffenübungen, Turnen, Schwimmen, Tanzen. Mit der Gesamtnote 10,3 erreichte der Schüler unter 23 Schülern den 8. Platz. Jeden Monat erhielten die Eltern eine Mitteilung über das Verhalten ihres Sohnes. Vater Dotzauer dürfte sich wahrscheinlich nicht unbedingt darüber gefreut haben, dass sein Sohn im Februar 1856 „zweimal wegen Unordnung und einmal wegen Unfleiß bestraft“ wurde. Waffen des bayerischen Kadetten-Corps: Kadettengewehr mit Bajonett um 1845, Kadettensäbel („Elevensäbel“) aus der Regierungszeit König Ludwigs I. (1825-1848) und vorderer Einbanddeckel des Buches „Das Königlich Bayerische Kadetten-Corps, von Friedrich Teicher, München 1889“ Carl Dotzauer absolvierte mit Erfolg die sechsjährige Kadettenschule, wurde bayerischer Offizier und ging als Generalmajor in den Ruhestand. Interessante Einblicke in die damalige Pädagogik ermöglichen Auszüge aus dem Buch „Das Königlich Bayerische Kadetten-Corps, von Friedrich Teicher, München 1889“: „Schüler einer jeden Klasse, welche sich durch Fleiß, gute Aufführung und besonders gute Fortschritte in den einzelnen Lehrgegenständen auszeichneten, erhielten Preise und Preisdiplome. Die Zuerkennung derselben, dann die Fortgangsnoten der Eleven („Eleven“ wurden die Schüler der 1. und 2. Klassen genannt) und Kadetten in den einzelnen Fächern, sowie die hieraus sich ergebenden allgemeinen Fortgangsplätze kamen zur Veröffentlichung.“ Übrigens: Carl Dotzauer erhielt 1855 für herausragende Leistungen in Latein (Klassenbester) ein großes „Preis-Diplom“ in einer roten Mappe mit dem Aufdruck „Dem Verdienste“. Preisdiplom (ca. 50 mal 40 cm), das der Kadett aus Bamberg, Carl Dotzauer, als bester Lateiner seiner Schulklasse 1855 erhielt. Für die gelegentlich lernunwilligen und aus der Reihe tanzenden Schüler standen den Lehrern eine Reihe von Strafen zur Verfügung: „1. Verweise unter vier Augen und öffentliche, 2. Stehen an der Wand während des Unterrichts und der Rekreation, 3. Speiseabzug, 4. abgesonderter Platz bei Tisch (Straftisch), 5. Verlust des Ausgangs, des Besuchs des Theaters, der Konzerte und der übrigen Vergnügungen, 6. einfacher Arrest, 7. enger Arrest bis zu acht Tagen und Kostabzug, 8. zeitliche Enthebung von der Funktion als Fahnenkadett. Mit Strafe 2 und 3 konnten nur die jüngeren Zöglinge belegt werden.“ Das Münchner Kadetten-Corps-Gebäude von 1826 bis 1890 Allgemeines: Das Bayerische Kadetten-Corps bestand von 1756 bis 1920. Hier erhielten Knaben eine allgemeine Ausbildung für die spätere Offizierslaufbahn. Gemäß einer Reorganisation im Jahr 1851 wurde das Eintrittsalter in das Kadetten-Corps auf 12 bis 15 Jahre festgelegt (vorher das 10. bis 12. Lebensjahr). Die Schüler der 1. und 2. Klassen wurden auch „Eleven“ genannt, die Schüler der 3. bis 6. Klassen hießen „Kadetten“. Ab 1868 entsprach der Abschluss an der sechsklassigen Kadettenschule dem des Realgymnasium-Abiturs und ermöglichte auch den Übergang in zivile Berufe. Interessant auch die damals obligate Ausstattung des in das Kadettencorps eintretenden Kadetten: „Jeder neuzugehende Zögling hatte bei seinem Eintritte in das Cadetten-Corps mitzubringen: 8 Hemden, 8 Unterbeinkleider, 12 Paar Socken, 12 weiße Sacktücher, 8 Handtücher 2 schwarze Krawatten, 2 Paar Halbstiefel, 1 Paar Hausschuhe, 1 Paar Tanzschuhe, 1 Deckelschublade, 1 zinnerne Waschschüssel nebst Glas, 1 zinnerne Milchschüssel, 1 Kästchen zum Aufbewahren der Haarkämme etc., 1 Haarbürste, 1 Kleiderbürste, 1 kleinen Spiegel, 1 Federmesser, 1 Serviettenband von Messing, 1 Frisierkamm, 1 engen Kamm, 1 Zahnbürstchen.“ (Aus: Das Königlich Bayerische Kadetten-Corps, von Friedrich Teicher, München 1889) Eine wohl einzigartige Geschichtsquelle über das Leben im Kadettencorps sind die „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890. Der 1897 gestorbene Oberstleutnant a. D. war von 1852 bis 1859 Schüler (Kadett) des Königlich Bayerischen Kadetten-Corps. Die meisten Skizzen beziehen sich auf diese Zeit. Das Ende der Kadettencorps-Schule kam mit dem verlorenen 1. Weltkrieg. Die Siegermächte verlangten im Friedensvertrag von Versailles „Dispersion“ und so wurde das Bayerische Kadettencorps, in dem von 1756 bis 1920 etwa 5000 Zöglinge eine umfassende (natürlich vor allem militärisch ausgerichtete) Allgemeinbildung erworben hatten, am 1. April 1920 aufgelöst. Schulmuseum Lohr a. Main |