Das Lohrer Schulmuseum lädt an den beiden Weihnachtsfeiertagen (Donnerstag und Freitag) während der regulären Öffnungszeiten von 14:00 bis 16:00 Uhr zu einem kostenlosen Besuch des Museums ein.
Mit
dem politisch-geschichtlichen Konzept, das auf die Zeit von 1789
(Französische Revolution) bis 1989 (Zusammenbruch der DDR) ausgerichtet
ist und die Abhängigkeit der Schulentwicklung und des gesamten
Erziehungswesens von totalitären Strömungen dieser Epoche akzentuiert,
hat sich das 1989 eröffnete Lohrer Schulmuseum schnell einen
überregionalen Ruf als bedeutende Dokumentationsstätte des
pädagogischen Alltags vergangener Zeiten erworben.
Schwerpunkte des
Museums sind das Deutsche Kaiserreich (1871-1918) und das Dritte Reich
(1933-1945). Die Anordnung der Themenkreise unter Einbeziehung der
außerschulischen Erziehung (z.B. im Elternhaus und durch die Kirchen)
verdeutlicht Ähnlichkeiten, Veränderungen und Unterschiede dieser
Zeitabschnitte.
Das Lohrer Schulmuseum zählt heute, auch in Bezug
auf Raumgestaltung und Präsentation, national wie international zu den
attraktivsten Museen seiner Art.
Kriegsspiele
1914/1915
Übrigens:
Auch in Bezug auf die Freizeitgestaltung der Kinder ermöglicht das
Museum viele interessante Einblicke in vergangene Zeiten und zeigt, wie
sehr die Kinderwünsche auch Ausdruck des jeweiligen Zeitgeistes waren
oder von diesem bestimmt wurden: Rollenverständnis von Mann und Frau,
technischer Stand, Militarismus, Rassismus usw. manifestierten sich
auch in den jeweiligen weihnachtlichen Geschenken für die Kinder und
entsprechend in den Angeboten der Geschäfte und Warenhäuser.
Zu sehen sind neben der umfangreichen ständigen Ausstellung folgende Sonderausstellungen:
1. „Meine Feder werd' zur Lanze!“ - Erziehung zum Krieg 1914-1918
Überzogener
Patriotismus und kritiklose Anpassung an die politischen Kräfte des
Staates bestimmten von Beginn des Ersten Weltkriegs an das Schulwesen
und die gesamte Erziehung in dieser Zeit. Viele Pädagogen sahen in dem
Krieg die Möglichkeit einer umfassenden „sittlichen Hebung, Erneuerung,
Erstarkung“ (Schulanzeiger vom 5. Okt. 1914).
Entsprechend wurden
die Schulen unter dem Stichwort „Kriegsunterricht“ auf den Krieg
eingestimmt und das gesamte Schulleben auf den Krieg als
Unterrichtsprinzip ausgerichtet, vom Fach Religion („Der deutschen
Jugend soll vor Augen geführt werden, daß auch im Krieg der Gerechte
und Tüchtige auf die göttliche Hilfe bauen darf.“, bis hin zum
Singunterricht. („Kein schön'rer Tod ist in der Welt, als wer vorm
Feind erschlagen.“)
Erst nach dem Ende des Krieges bemerkten
Pädagogen die negativen Auswirkungen des Kriegsunterrichts, und im
Schulanzeiger aus dem Jahr 1919 heißt es u.a.: „Beschämt stehen wir vor
den Trümmern. Und viele werden vor den Kindern die richtigen ersten
Worte nicht gefunden haben oder nicht finden.“
2. Krieg im Kinderzimmer
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte der Spielzeugindustrie einen lukrativen Absatzmarkt der besonderen Art.
Geschäfte
und Kaufhäuser boten in ihren Katalogen ein reichhaltiges Sortiment an
Kriegsspielzeug aller Art an. Es umfasste den gesamten militärischen
Bereich von den Uniförmchen, Säbeln, Degen und Kinderhelmen der
verschiedenen Waffengattungen bis hin zum "Kasernenschrank mit
kompletter Ausrüstung" für 10,50 Mark.
Reichhaltig war auch das Angebot an entsprechenden Würfelspielen und Kinder- und Jugendliteratur.
Der Krieg eroberte schnell nahezu jedes Kinderzimmer.
Die Sonderausstellung "Krieg im Kinderzimmer"
im Eingangsbereich des Museums ermöglicht zusammen mit der
Jahressonderausstellung "Meine Feder werd' zur Lanze!" - Erziehung zum
Krieg 1914-1918 im Gewölbekeller des Museums dem Besucher viele
Erkenntnisse über das Erziehungsgeschehen in Elternhaus und
Schule während des Ersten Weltkriegs.
Insgesamt also ein
umfangreiches museales (und kostenfreies) Angebot für die
Weihnachtsfeiertage, sicher auch für manche Lohrer und Sendelbacher
interessant, die schon immer einmal dem Lohrer Schulmuseum einen Besuch
abstatten wollten.
Krieg im Kinderzimmer
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs brachte der Spielzeugindustrie einen lukrativen Absatzmarkt der besonderen Art.
Geschäfte
und Kaufhäuser boten in ihren Katalogen ein reichhaltiges Sortiment an
Kriegsspielzeug aller Art an. Es umfasste den gesamten militärischen
Bereich von den Uniförmchen, Säbeln, Degen und Kinderhelmen der
verschiedenen Waffengattungen bis hin zum "Kasernenschrank mit
kompletter Ausrüstung" für 10,50 Mark.
Besonders beliebt, aber auch
sehr teuer, war "modernes" technisches Kriegsspielzeug. Ein
"Kriegsschiff mit solidem Uhrwerk, gepanzertem Geschützraum mit zwei
Kanonen, zwei Drehkränen, zwei Panzertürmen mit Signalmasten, Länge 65
Zentimeter" kostete "in ganz feiner Ausführung" 25 Mark. Zur "Abwehr"
derartiger Kriegsschiffe bot der gleiche Katalog eines Würzburger
Kaufhauses ein "Küsten- und Festungsgeschütz" an, mit "durch
Schneckengewinde drehbarer Lafette, fester Lage des Rohres und
gediegener Konstruktion in Eisen und Messing, 25 Zentimeter hoch,
Preis: 14,50 Mark".
 Auch
für die Vorschulkinder gab es passende Spiele, so dieses
Klotz-Puzzle-Spiel um 1915 "Der Völkerkrieg 1914/15."
(Deckelillustration)
|  "Von Kindern und Helden – Kriegsgeschichten, gesammelt und erzählt von Helene Stökl", 1917. "Dem
Andenken meines lieben Sohnes Dr. Manfred Stökl gewidmet, der am 21.
Oktober 1914 beim Sturm auf Stari-Sambor den Tod fürs Vaterland starb."
|
Neben
diesen herkömmlichen Waffen fanden auch die neuesten kriegstechnischen
Errungenschaften ihren Weg in solche Kataloge. Die erste Form der
Luftwaffe, der Kriegszeppelin, und die neue Wunderwaffe zur See, das
U-Boot, gehörten zu den begehrtesten Spielzeugen der Zeit. Auch dazu
wurden entsprechende Abwehrwaffen angeboten.
So teures Spielzeug war
natürlich der wohlhabenden Bürgerschicht vorbehalten. Ein Tagelöhner
verdiente pro Tag etwa 3 Mark und brachte damit seine Familie mehr
schlecht als recht über die Runden. Bei einem so spärlichen Verdienst
war es ein Ding der Unmöglichkeit, für den Sohn einen Helm für 4 Mark
oder gar ein Schiff für 25 Mark zu kaufen.
Eine derartige Aufrüstung im Kinderzimmer war also vor allem auf die reichen Haushalte beschränkt.
Trotzdem
wollte das weniger betuchte Elternhaus den Kindern militärisches
Spielzeug nicht vorenthalten, also bastelten Familienväter Papierhelme,
Holzschwerter und einfache Gewehre aus Holz.
Entsprechend der
Kriegsbegeisterung boten die Geschäfte auch eine Vielzahl von Brett-
und Würfelspielen an, z.B das Würfelspiel "Der Weltkrieg 1914 –
Neuestes, sehr unterhaltendes und belehrendes Kriegsspiel.", "Feuernde
Mörserbatterie – ein zeitgemäßes Gesellschaftsspiel für Groß und
Klein", usw.
Die Kriegspropaganda vergaß auch die Jüngsten nicht.
Für die Vorschulkinder gab es passende Spiele, etwa ein
Klotz-Puzzle-Spiel um 1915 "Der Völkerkrieg 1914/15."
Themenvorlagen
waren u. a.: "Der Sturm auf Lüttich", "Der kleine Kreuzer 'Augsburg'
bombardiert Libau", "Unterseeboot U9 bringt 3 engl. Kreuzer zum Sinken".

Kriegs-Kinderbücher (Bilderbücher) aus der Zeit um 1914/1915
Reichhaltig
war auch das Angebot an entsprechender Kinder- und Jugendliteratur.
Beliebt waren als Weihnachtsgeschenke Bücher mit Themen deutscher
Heldentaten, etwa: "Ich hatt' einen Kameraden – eine fesselnde
Erzählung aus dem großen Krieg 1914/15, ein Buch von Vaterlandsliebe,
Treue und begeistertem Heldentum." Oder: "Die Geschichte vom General
Hindenburg – lustig dargestellt und gereimt von Arpard Schmidhammer"
1915, vor allem für die Jüngeren verfasst. Es endet mit einem
Versvierzeiler:
"Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt!
Es lebe General Hindenburg, der große deutsche Held.
Er rettet unser Vaterland aus Not und aus Gefahr,
Und siegreich über einer Welt von Feinden schwebt der Aar."
Es
waren vor allem derartige Kriegsbilderbücher für das erste Lesealter,
die zu den obligatorischen Weihnachtsgeschenken gehörten. In ihnen
wurden die Kriegsereignisse in Text und Bild verniedlicht dargestellt
und sollten auf diese Weise den Krieg verharmlosend eher als lustiges
Spiel erleben lassen, bei dem es keine Tote gab, wohl aber ängstliche
Gegner, die schon beim Anblick einer deutschen Uniform Reißaus nahmen
und dabei auch noch ins Wasser fielen.
Im Kriegsjahr 1916 aber, als
sich die Todesanzeigen in den Tageszeitungen häuften, Siegesmeldung
ausblieben und in der Heimat gehungert wurde, verschwanden die bunten
Kriegsbilderbücher aus den Regalen der Buchläden. Die Zeit des
"Hurrapatriotismus" war vorbei, die Menschen sehnten sich nach einem
Leben ohne Krieg. Gewehr, Helm und Säbel wurden in der Folgezeit mehr
und mehr aus den Kinderstuben verbannt.
"Hurra! Die Eisenbahn – ein lustiges Bilderbuch von Ludwig Ringler."Deckelillustration, um 1915
Auch in den Schulen wurde abgerüstet. Das wird in dem Aufsatzthema an der Rodenbacher Schule 1916
"Warum wir uns auf den Frieden freuen." besonders deutlich.
Der Schüler Gustav Emrich schrieb:
"Wir
freuen uns auf den Frieden, weil schon 20 Monate Krieg ist. Es sind
viele unserer tapferen Soldaten gefallen. Im ganzen Bayernlande ist
Jammer und Elend. Hoffentlich werden bald die Glocken zum Frieden
läuten. Ich bin froh, wenn es Frieden wird. Jetzt muß man ganz viel
sparen, weil nichts mehr ins Land kommt.
Es steht eine Übermacht
von Feinden gegen uns. Unsere Leute sind nicht so stark wie die Feinde.
(Randnotiz des Lehrers mit roter Tinte: "Oha! Lüge nicht!")
Wenn es Frieden ist, da wird ein Fest gehalten."
Aber
es dauerte noch zwei lange Jahre, bis dieser unheilvolle Krieg zu Ende
war, der später als der Erste Weltkrieg mit 15 Millionen Toten in die
Geschichte einging.

Schießspiel: "Üb' Aug' u. Hand fürs Vaterland!"
Die Sonderausstellung "Krieg im Kinderzimmer" im Eingangsbereich des Museums ermöglicht zusammen mit der Jahressonderausstellung
"Meine Feder werd' zur Lanze!" - Erziehung zum Krieg 1914-1918
im
Gewölbekeller des Museums dem Besucher viele interessante Einblicke in
das Erziehungsgeschehen in Elternhaus und Schule während des Ersten
Weltkriegs.
(Text: Eduard Stenger)