Sonderausstellung anhand von zwei Schenkungen
im Lohrer Schulmuseum

 vom 15. August bis 21. Oktober 2018

Das Bayerische Kadettencorps 1756-1920
1. Eine interessante Schenkung aus den USA


Das Gebäude des Kadettenkorps am Münchner Marsplatz von 1890 bis 1920. Es wurde später von der Kriegsschule München als Unterkunft genutzt. Postkarte um 1900
Das Gebäude des Kadettenkorps am Münchner Marsplatz von 1890 bis 1920.
Es wurde später von der Kriegsschule München als Unterkunft genutzt. Postkarte um 1900

Informationen: Am 28.05.2012 schrieb Anna Quastler per e-Mail aus Kalifornien an den Leiter des Lohrer Schulmuseums:
„Sehr geehrter Herr Stenger,
mein Vater Walter Albert Lothar Sensburg war ein bayerischer Kadett und hatte eine Sammlung von eingerahmten Kadetten-Bildern Sie sind von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts. Hätten Sie daran Interesse?
Mein Sohn und ich sind demnächst auf einer Deutschland-Reise und wir werden Sie nächste Woche anrufen, aber es wäre nett, wenn Sie auf meine Email antworten würden.
Anna Quastler, geb. Sensburg“
Nach einer umgehenden Rückmeldung besuchte Frau Quastler mit ihrem Sohn Gordon Babst, heute Professor für Politische Philosophie an der CHAPMAN-UNIVERSITÄT in Orange, Kalifornien, am 7. Juni das Lohrer Schulmuseum, das ihnen offensichtlich so gut gefiel, dass sie sich bereit erklärten, die Bildersammlung schenkungsweise dem Lohrer Schulmuseum zu überlassen.
Altkolorierte „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890: rechte Gruppe: „Zu Tambosi! Ausgangstag!“, um 1850 (wohl auf dem Weg in ein Cafe); links ein „Eleve“ (Schüler der ersten oder zweiten Klasse an der Kadettenschule); rechts ein „Kadett“ (Schüler ab der dritten Klasse); linke Gruppe: „In Urlaub mit Handgepäck“, um 1880
Altkolorierte „Skizzen aus dem Cadetten-Leben“, gezeichnet von Marquart Freiherr von Leoprechting, herausgegeben 1890: rechte Gruppe:
„Zu Tambosi! Ausgangstag!“, um 1850 (wohl auf dem Weg in ein Cafe); links ein „Eleve“ (Schüler der ersten oder zweiten Klasse
an der Kadettenschule); rechts ein „Kadett“ (Schüler ab der dritten Klasse); linke Gruppe: „In Urlaub mit Handgepäck“, um 1880

Bei einem zweiten Besuch am 11 Juli 2012, zusammen mit einem weiteren Professor aus India, zur Zeit beim Max Planck Institut/Mainz, brachte Herr Babst die angekündigten Bilder und einen kleinen Schaukasten mit Zinnfiguren, darstellend die verschiedenen Uniformierungen/Bewaffnungen der bayerischen Kadetten von 1754 bis zur Auflösung 1920, mit.
Der Bitte des Museumsleiters um einige schriftliche Informationen entsprachen Frau Quastler und ihr Sohn nach dessen Rückkehr in die USA am 21. Juli per e-Mail, in der Frau Quastler, geb. Sensburg; schrieb:

„Die Sammlung von alten Kadettenbildern habe ich von meinem Vater Walter Albert Lothar Sensburg (1896-1980) geerbt.
Er war in München geboren und später in der Bayerischen Kadettenschule von 1909-1914, danach als Leutnant im Ersten Weltkrieg. Es war sein Traum Philosophie zu studieren an der Würzburger Universität, aber die politische Situation in Deutschland hatte alles geändert. Darum war er wieder (nach dem Ersten Weltkrieg) in die deutsche Reichswehr, später Wehrmacht, eingetreten und war in der militärischen Abwehr, zuletzt Oberst, bis zum Ende des Krieges tätig.
Er hat immer sehr begeistert über seine Zeit als Kadett gesprochen. Sein Sinn von Pflicht und Ehre war nicht vereinbar mit der Ideologie der Nazis, und so sympathisierte er mit den Männern aus dem Umfeld des Widerstandes gegen Hitler.
Mein Vater ist nicht nach den Vereinigten Staaten ausgewandert. Er ist in München geboren, hat sein ganzes Leben in Deutschland verbracht (außer den Zeiten, in denen er im Militär-Dienst woanders war), und ist im Sensburg-Familiengrab im Münchener Nordfriedhof begraben worden.
Fahnenkadett und Eleven beim Spaziergang auf dem Odeonsplatz in München, um 1840
Fahnenkadett und Eleven beim Spaziergang auf dem
Odeonsplatz in München, um 1840
Festmahl zur Feier des 150 jährigen Jubiläums des K. B. Kadettenkorps 1906, Menükarte
Festmahl zur Feier des 150 jährigen Jubiläums
des K. B. Kadettenkorps 1906, Menükarte

Nach dem Tod meiner Mutter (seiner Frau, die 1996 gestorben ist) habe ich die Kadettenbilder nach Amerika gebracht. So viele wie möglich haben wir aufgehängt, und die anderen verpackt. Eines Tages haben wir die Idee gehabt, dass die Bilder irgendwo ausgestellt werden sollten – weil sie meinem Vater so viel bedeutet hatten. Im Internet haben wir nach einem guten Platz gesucht, und nach einigen Anfragen haben wir uns für Lohr entschieden. Wir waren sehr beeindruckt von dem, was wir von Ihnen im Internet erfahren haben.

Anmerkung: Die zwölf altkolorierten Bilder und der Schaukasten sind eine interessante Ergänzung der Kadetten-Vitrine in der ständigen Ausstellung des Museums.
2. Die Ausstellung wird ergänzt durch eine weitere umfangreiche Schenkung von Frau Margarete Trauch aus Gräfelfing bei München, zu diesem Thema.
Zinnfiguren-Schaukasten, darstellend die verschiedenen Uniformierungen und Bewaffnungen der bayerischen Kadetten von 1756 bis zur Auflösung 1920
Zinnfiguren-Schaukasten, darstellend die verschiedenen Uniformierungen und Bewaffnungen
der bayerischen Kadetten von 1756 bis zur Auflösung 1920

Der Vater von Frau Trauch, Herr Rudolf Trauch, war von 1905 bis 1911 Kadett im Bayer. Kadettencorps und war am Ende seiner militärischen Laufbahn 1945 Generalleutnant und Chef der Inspektion der Fahrtruppen im Oberkommando des Heeres. Aus Platzgründen kann nur ein Teil der Fotos , Dokumente usw. gezeigt werden
Leihgaben von Armin Hospes aus Marktheidenfeld runden die Ausstellung im Eingangsbereich des Museums ab.
Allgemeines zum Bayerischen Kadettencorps: Das 1756 (einige Geschichtsquellen datieren die Gründung auf 1774) gegründete und mehrmals reformierte Kadettencorps war ursprünglich ein Versuch, die sog. Ettaler Ritterakademie weiterzuführen und sollte neben der militärischen Erziehung auch zur Heranbildung einer gesellschaftlich-politischen Elite beitragen. Das Eintrittsalter schwankte zwischen 10 und zwölf Jahren, die Schulzeit dauerte acht Jahre. Gemäß einer Reorganisation im Jahr 1851 wurde das Eintrittsalter in das Kadettencorps auf 12 bis 15 Jahre festgelegt, die Schulzeit auf sechs Jahre. Als „Eleven“ wurden die Schüler der 1. und 2. Klassen bezeichnet, die Schüler der folgenden Klassen hießen „Kadetten“. Ab 1868 entsprach der Abschluss an der sechsklassigen Kadettenschule dem des Realgymnasium-Abiturs und ermöglichte auch den Übergang in zivile Berufe. Das Ende der Kadettencorps-Schule kam mit dem verlorenen 1. Weltkrieg. Die Siegermächte verlangten im Friedensvertrag von Versailles „Dispersion“ (Auflösung), und so wurde das Bayerische Kadettencorps, in dem von 1756 bis 1920 etwa 5000 Zöglinge eine umfassende (natürlich vor allem militärisch ausgerichtete) Allgemeinbildung erworben hatten, am 1. April 1920 aufgelöst.

(Texte:Museumsleiter Eduard Stenger; Fotos: Bettina Merz, Mitarbeiterin im Lohrer Schulmuseum)

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen
gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger
Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
(Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main;
Tel. 09352/4960 oder 09359/317,
e-Mail: eduard.stenger@gmx.net)

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