Ein seltener Schatz
Schneewittchen im Glassarg

Anmerkung: Durch die Erfindung des Steindrucks und der Schnelldruckpresse wurde in der
2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die preiswerte Herstellung von großformatigen Schulwandbildern möglich.
Die farbenkräftigen Märchenbilder, eingebunden in das reale Leben der jeweiligen Zeit, dokumentieren
heute die Wertvorstellungen aber auch den ideologischen Missbrauch vergangener Epochen.
(Text: Martina und Lutz Dathe, Leipzig und Eduard Stenger, Lohr)
Anmerkung: Das Sammlerehepaar Martina und Lutz Dathe verbindet eine langjährige Freundschaft mit dem Lohrer Schulmuseum.
Ihr besonderes Interesse gilt der kunstwissenschaftlichen Erforschung des Märchen-Schulwandbildes und der Märchenillustration.
Der von ihnen verfasste umfangreiche
Katalog "Mit und ohne Zeigestock - Die Märchen der Brüder Grimm auf
Schulwandbildern" erfasst und behandelt alle Bilder, die im Verlaufe
der wechselvollen Schulgeschichte im deutschsprachigen Raum des
gesamten 20. Jahrhunderts
erschienen sind und heute ein wichtiger Teil
der Märchenkultur sind.
„Schneewittchen“ - Märchensymbolik
Texte aus: Kleines Handlexikon der Märchensymbolik, Kreuz Verlag, 2001
Zwerge: Sie „symbolisieren Natur mächte, welche in der Dunkelheit von Wald oder Höhle oder hinter den Bergen,
also im Unbewussten ihr Wesen treiben. Es handelt sich aber um Wesen, die sich nicht zu reifen Menschen entwickeln,
sondern auf einer vorödipalen Ebene dauernd fixiert bleiben.“
Prinzessin: „Die Bezeichnungen König und Königin sind durchsichtige Tarnungen für Vater und Mutter,
ebenso Prinz und Prinzessin für Junge und Mädchen.“
Sarg: „Im Märchen findet sich der gläserne Sarg, in dem die Jungfrau (Prinzessin) liegt. Sie ist nicht wirklich tot,
das bedeutet die gläserne Durchsichtigkeit, aber sie ist kalt und starr wie Glas und wartet auf ihre Erlösung, das heißt,
die (erotische) Einweihung in einen neuen Lebensabschnitt.
Stiefmutter: „In der ödipalen Phase des Mädchens wird die Mutter in zwei Gestalten geteilt,
in die gute Mutter der vorödipalen Zeit und die böse Stiefmutter der ödipalen Zeit. Als bedrohliche Figur
besteht eine gewisse Verwandtschaft zwischen der Stiefmutter und der Hexe, der Zauberin oder der Riesin.“
Spiegel: Es „sind Fenster in eine andere Welt, die nicht wirklich ist...
Der Zauberspiegel... dient überhaupt zur Offenbarung des Verborgenen...“
Die Farben weiß, rot und schwarz:
„Weiß ist die Farbe des Heils, des Friedens und der Freude, ein Zeichen besonderer Schönheit...
Rot ist die Farbe der Lebendigkeit, des Blutes und der Erregung...
Schwarz deutet das geheimnisvolle Muttertum an, aus dem ewig das junge Leben sprießt...“